Die Zeitschrift „Außerschulische Bildung“ widmet ihre Ausgabe 3-2025 dem Thema „Alles eine Frage des Vertrauens“.
Gedanken zur Bedeutung von Vertrauen in der politischen Bildungsarbeit mit von Mehrfachdiskriminierung betroffenen Zielgruppen.
Das Heft enthält eine Reihe von höchst lesenswerten Beiträgen zu einem grundlegenden Thema, das viel zu wenig angesprochen wird.
Hier ein Auszug aus einem Text von von Carolin Bernhardt, Michelle Chávez, Toma El-Sarout und Anna Krämer:
„Vertrauen ist keine Selbstverständlichkeit. Besonders nicht für Jugendliche, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind und in einem Umfeld aufwachsen, in dem sie institutionellen Ausschlüssen und systematischer Benachteiligung ausgesetzt sind. Dabei geht es nicht nur um das Vertrauen in uns als Seminarleitung oder pädagogisches Team, sondern vor allem auch um das Vertrauen in sich selbst, in die Gruppe, in demokratische Prozesse und in die Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe und Ver- änderung. In diesem Beitrag gehen wir der Frage nach, ob und wenn ja, wie es uns in unserer politischen Bildung dennoch gelingt, mit diesen Zielgruppen Vertrauen in Möglichkeiten demokratischer Teilhabe aufzubauen.
Wenn Vertrauen schwerfällt
Unsere Zielgruppen haben häufig bereits vielfältige Vertrauensbrüche erlebt – sei es im Bildungssystem, in ihren Familien, durch Behörden oder durch gesellschaftliche Stigmatisierung. Diese Erfahrungen prägen sie tief. Wer immer wieder erlebt, dass Erwartungen enttäuscht werden, Mitsprache folgenlos bleibt oder Engagement ins
Leere läuft, entwickelt eine Skepsis – oder gar ein grundlegendes Misstrauen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn uns in Seminaren Aussagen begegnen wie: „Politik ist eh nichts für mich – daran verdienen nur Politiker und Unternehmen!“
Unsere Teilnehmenden wachsen in einem selektiven und leistungsorientierten Schulsystem auf, das sie strukturell und institutionell benachteiligt. Ihre Lebensrealität ist geprägt von Konkurrenzdruck, Perspektivlosigkeit und mangelnder Unterstützung. Sie erfahren jeden Tag, dass Bildung nicht für alle gleich zugänglich ist und dass soziale Herkunft, Migrationsgeschichte oder Geschlechterzuschreibungen über Erfolg und Scheitern mitentscheiden. Oftmals verfügen sie oder Familienangehörige weder über die deutsche Staatsangehörigkeit noch über einen gesicherten Aufenthaltsstatus.
Unter solchen Bedingungen Vertrauen in den Staat oder in demokratische Strukturen zu entwickeln, ist eine Herausforderung. Und das nicht, weil es diesen jungen Menschen an politischem Interesse mangelt – im Gegenteil: Viele unserer jugendlichen Teilnehmenden sind gerade aufgrund ihrer Erfahrungen hochpolitisch, aber sie erleben, dass sie mit ihren Anliegen nicht gehört werden und dass ihre Perspektiven im öffentlichen Diskurs nicht vorkommen.
Demokratievertrauen trotzdem stärken
Ein Teil unserer Aufgabe ist es deshalb, diese Widersprüche nicht zu übergehen, sondern sie zum Ausgangspunkt der gemeinsamen Arbeit zu machen. Vertrauen entsteht nicht durch das Beschwören der Demokratie als Ideal, sondern durch eine Auseinandersetzung mit Demokratie als ein veränderlicher Prozess. Wenn unsere Teilnehmenden erleben, dass ihre Kritik Raum bekommt, dass sie Fragen stellen dürfen, dass sie Dinge anders sehen dürfen und dabei nicht sanktioniert werden, dann beginnt ein Prozess, der Vertrauen wachsen lässt. Dazu gehört auch, dass wir über Macht sprechen: über strukturelle Ausschlüsse, über Privilegien, über Benachteiligung – und ebenso über Handlungsspielräume.
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