Nach den Europawahlen im Juni 2024 und vor der Bundestagswahl 2025: Desaster für die etablierten Parteien
Eckhard Jesse analysiert die Ergebnisse der Landtagswahlen, die im Herbst 2024 in drei ostdeutschen Ländern stattfanden. Besondere Einflussfaktoren waren die starke Position der AfD und die Wahlteilnahme des gerade erst gegründeten BSW. Dadurch wurde die Regierungsbildung zu einem schwierigen Problem.
Aus der Einleitung: Der folgende Beitrag analysiert nach einem kurzen Abriss zu den Europawahlen im Juni die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Diese wurden mit großer Spannung erwartet, erstens wegen eines wahrscheinlichen Rechtsrucks, zweitens wegen des Abschneidens der neuen Partei, des Bündnisses Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW), drittens wegen möglicher „Unregierbarkeit“ nach den Wahlen (Träger und Matthies 2023). Ein Vergleich fragt nach den (vielen) Parallelen und den (wenigen) Unterschieden beim Wahlausgang. Ein besonders prekäres Problem: die Bildung regierungsfähiger Mehrheiten. Vor dem Fazit und dem Ausblick folgt eine Antwort auf die zentrale Frage, ob das Wahlverhalten typisch für „den“ Osten ist oder dieser eine Entwicklung vorwegnimmt, wie sie später auch im Westen abläuft.
Lesen Sie weiter unter
https://www.budrich-journals.de/index.php/gwp/article/view/45137
Aktuelle Ergänzung: Die Regierungsbildung
Thüringen
Eine Fortsetzung der bisherigen rot-rot-grünen Koalition als Minderheitsregierung wurde durch das Scheitern der Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde unmöglich. Eine rechnerische Mehrheit im Landtag hätten Bündnisse der CDU mit BSW und Linken bzw. der AfD, jedoch hatte die CDU vor der Wahl Koalitionen mit AfD und Linkspartei ausgeschlossen – das ist auch Beschlusslage der Bundespartei.
Ende September starteten CDU, BSW und SPD gemeinsame Sondierungsgespräche für eine sogenannte Brombeerkoalition, die allerdings über keine eigene Mehrheit im Landtag verfügt. Da das Parteienbündnis auf Stimmen aus der Opposition angewiesen ist, um Mehrheiten für eigene Vorhaben zu bilden, einigten sich die Beteiligten mit der Linksfraktion auf ein monatliches Gesprächsformat unter den parlamentarischen Geschäftsführern der vier Parteien und eine Einbindung der Linken bei zentralen Reformvorhaben. Bei der Wahl zum Ministerpräsidenten am 12. Dezember 2024 erhielt Mario Voigt (CDU) auch Unterstützung aus der Opposition und wurde mit 51 Stimmen im ersten Wahlgang gewählt. (Nach Wikipedia)
Sachsen
Die Sächsische Union erhielt 31,9 Prozent, lag also vor der AfD (30,6 Prozent), welche die für die Wahl von Verfassungsrichtern oder für Verfassungsänderungen nötige Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Mandate knapp verfehlte. Neben dem BSW gelangten SPD, Grüne und Die Linke – diese nur dank zweier gewonnener Direktmandate – insLandesparlament.
Nach Gesprächen mit dem BSW verhandelte die CDU mit der SPD über die Bildung einer Minderheitsregierung. Die Kooperation sollte sich auf Unterstützung durch alle weiteren Fraktionen, Gruppen oder fraktionslosen Abgeordneten im Landtag mit Ausnahme der AfD stützen. Um eine Mehrheit bei der Ministerpräsidentenwahl zu erreichen, sprach Ministerpräsident Kretschmer auch mit der Linken.
Am 3. Dezember wurden die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Am 14. Dezember und damit vier Tage vor der angesetzten Wahl des Ministerpräsidenten stimmte der CDU-Parteitag dem Koalitionsvertrag zu. Auch die SPD stimmte der Koalition im Rahmen einer Mitgliederbefragung zu. Michael Kretschmer wurde am 18. Dezember 2024 mit 69 Stimmen im zweiten Wahlgang gewählt. Im ersten Wahlgang hatte er mit 55 Stimmen die erforderliche absolute Mehrheit von 61 Stimmen verpasst. Er bildete das Kabinett Kretschmer III. (Nach Wikipedia)
Brandenburg
Die Landtagswahl vom 22. September hatte die SPD knapp vor der AfD gewonnen. Eine Koalition mit der AfD lehnt die SPD ab, für ein Bündnis mit der CDU reichte es nicht. Einzige Option für eine Regierungskoalition war daher das BSW. Gemeinsam kommen SPD und BSW auf 46 von 88 Landtagssitze.
Knapp drei Monate nach der Landtagswahl wurde der Koalitionsvertrag für die nächste Regierung unterzeichnet. Er bildet die Grundlage für die politische Arbeit der künftigen Koalition in den kommenden fünf Jahren.
Der Landtag wählte Dr. Dietmar Woidke erneut zum Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg. Der 63 Jahre alte SPD-Politiker, der das Amt des Regierungschefs seit August 2013 innehat, erhielt bei der geheimen Wahl 50 Ja-Stimmen der 87 anwesenden Abgeordneten. 36 Parlamentarier votierten mit Nein, es gab eine Enthaltung. Damit erreichte der bisherige Amtsinhaber als einziger Kandidat im zweiten Wahlgang die laut Landesverfassung erforderliche Mehrheit.